Nagertheater! 08.10.2009  


Letzte Woche schrieb mich im Corradoforum ein User an, das er mir einen G60 Tacho vermachen wolle. Ich fragte natürlich erstmal ganz erstaunt nach warum er einen abzugeben habe. Da berichtete er mir, das er auf eBay einen schönen Tacho gefunden hat, der mit durchleuchteten Audi Zeigern bestückt sei, der Tacho eine Skala bis 280 km/h aufweist und der Drehzahlmesser bis 8000 rpm geht.
Ich fragte ob der Tacho denn auch angeglichen sei und nach Aussage des Inserates ist das wohl auch so. Sinngemäß stand in der Artikelbeschreibung: 

 Ein vollständiges Kombiinstrument ( Tacho ) für:

VW Corrado / Passat 35i, 4 Zylinder mit 8Ventilen und 1.8l oder 2.0l

Tacho mit Multifunktionsanzeige 2

nicht geeignet für 16V und VR6-Modelle

Passend für alle oben angegebenen Fahrzeuge  mit OEM Tacho bis 220 und 240km

Der Tachometer wurde auf 280km erweitert und zeigt die Geschwindigkeit korrekt an

Sehr schön von hinten beleuchtete Zeiger und blaue Frontbeleuchtung. Sehr hochwertige Tachoscheiben aus Kunststoff nicht refektierend,

rote LC-Anzeigen , mit Chromringe

Sehr schönes Gesamtkunstwerk

Technisch magelfrei, wie Optisch ohne Markel


Das Ändern der Artikelbeschreibung war der ausdrückliche Wunsch des Verkäufers. Dies lies er mir durch Dritte mitteilen. Gerne komme ich diesem Wunsch nach.
Zudem wünschte er, das ich mein Copyright aus den Bildern entferne. Nun dem kann ich nicht zustimmen, da ich der Urheberechtsinhaber dieser Bilder bin und ich auch keinerlei rechtlich geschützte Logos des Tachoumbauers abgelichtet oder gar veröffentlicht habe.  Desweiteren wird der Name des Herstellers - wie bereits erwähnt - nicht bekannt gegeben, obwohl mir das im Sinne der freien Meinungsäußerung zustehen würde (BGB Artikel 5 Absatz 1)


Wie jetzt??? Für 4 Zylinder 8V mit 1,8 oder 2,0 Litern Hubraum? Aber nicht für einen 16V??? Ach und der Tacho passt auf alle Autos mit einem originalen Tacho bis 220 und 240 km/h???
Scheint ja ein sehr schlauer Tacho zu sein, wenn der dann auch noch richtig anzeigt?!?

Also was mir nicht gefiel, war die Aussage, dass der Drehzahlmesser nur bei 8V Motoren funktioniert, weil das ist völliger Quatsch. Ein 4-Zylinder 4 Taktmotor zündet pro Umdrehung genau 2x, egal ob 8, 16 oder 2000 Ventile im Kopf arbeiten. Also muss der Drehzahlmesser bei allen 4 Zylinder-Motoren einen korrekten Wert anzeigen, wenn - ja wenn die Kennlinie im Tacho für die neue Drehzahlskala bis 8000 rpm richtig programmiert wurde.
Das der Tacho für alle Fahrzeuge mit originalem 220 oder 240 km/h Tacho verwendet werden kann ist ebenso großer Quatsch, weil der Geber bei allen Corrados und Passats aus dieser Zeit gleich waren und nur der Tacho mittels der Wegstreckenkennzahl den Unterschied gemacht hat, also wenn die Kennlinie im Tacho für 220 km/h programmiert ist, zeigt er egal ob im Corrado oder Passat die richtige Geschwindigkeit an, insofern dann die Skala auch nur bis 220 km/h geht. Genauso verhält sich das mit 240 und 260 km/h Tachometern.

Nun, da man ja im Eifer des Gefechtes schon mal versehendlich Unfug in einer Artikelbeschreibung tippen kann, hoffte ich für die Forenbekanntschaft das alles gut gehen wird.

Doch es kam, wie es kommen musste... Er holte den Tacho persönlich ab, baute ihn ein und stelle schnell fest, dass etwas nicht stimmt. Der Spoiler fährt plötzlich bei 140 km/h erst aus, der Drehzahlmesser zeigt eindeutig zu viel an, und die Geschwindigkeit passt so gar nicht zum GPS-Signal.

Er schrieb mich an und fragte ob ich eventuell helfen könnte. Klar, pack das Teil ein und sende es mal los. Ich schreibe Dir die Kennlinien schon passend.

Gestern kam das Paket dann an. Voller Neugier packte ich den Tacho sogleich aus und schloss ihn an meinen Tachosimulator an.
Dort viel mir als erstes auf, dass die erste Ziffer vom Kilometerzähler, also die 100000er Stelle nur als Unterstrich dargestellt wird. Hmm naja, werden wohl Kontaktschwierigkeiten sein.

Merkwürdig daran ist, das in der Auktion auf einem Bild der Unterstrich ebenfalls zu sehen ist und in einem weiteren Bild der Strich retuschiert ist.... Aber das ist mir erst nachher aufgefallen.

So, da der Tacho schon mal funktioniert, kann ich mir den ja nun auch etwas näher ansehen. Was mir sofort negativ auffiel, waren die unisolierten Widerstände und auch Anschlussdrähtchen auf der Oberseite des Tachos. So in der Art bekomme ich natürlich öfters Tachos hier zu Gesicht, aber in diesem Fall hier finde ich das unmöglich, weil der Verkäufer diese Tachos gewerblich vertreibt. Ja genau der Kerl kauft Kombiinstrumente, baut diese um und verkauft die wieder.
Hier nun das Foto von den blanken Anschlüssen.....


Rein preislich gesehen, ist es durchaus sinnvoller einen Grillanzünder ins Auto zu legen ...
Kein Quatsch, da ist tatsächlich die Boardspannung drauf:


So rein elektrisch gesehen sind die 6 Widerstände für 6 LEDs ohnehin blanker Unsinn und zeugt von Ahnungslosigkeit. Jeder Widerstand verbrennt so ca 8 bis 10 Volt und wandelt diese Spannung in unnütze Wärme um. Da wären wir schon wieder beim Grillanzünder... Sinnvoller ist es 3 LEDs in Reihenschaltung zu betreiben und mit einem Vorwiderstand zu versehen. Dadurch vebraucht man dann statt 120 mA nur 40 mA und muss statt 6x 8 Volt nur 2x 2 Volt im Widerstand verheizen. Na gut, kann ja nicht jeder mit der Formel U=R*I um....

Etwas enttäuscht von der Profiarbeit habe ich es dennoch gewagt den Tacho mal zu öffnen. Ich wollte zuerst wissen, wo der gute Herr die Tachonadel denn aufgesteckt hat, also in welcher Position. Und da hat er ganze Arbeit geleistet. Er hat mittels der Nadelposition ein wenig den Geschwindigkeitsbereich verändert, so das bei 50 km/h der Tacho sogar richtig geht, trotz einer Skalenänderung von 20-220 km/h auf 20-280 km/h, ...


... aber schon bei etwas mehr echter Geschwindigkeit passt da gar nichts mehr zusammen:

Simulierte 100 km/h und der Tacho ist bei etwas über 120 km/h


 Bei 120 km/h



Statt 220 sind wir nun schon bei fast 250 km/h



Bei echten 260 km/h sind wir nun schon bei - hmm - 300???

Einen Test mit 280 km/h habe ich, um den Servomotor nicht zu töten, lieber gar nicht mehr durchgeführt.
Also, wie vermutet, angepasst ist da nichts.

Aber mal schauen, vielleicht hatte er den Tacho schlichtweg vergessen und nur den Drehzahlmesser angepasst?

Schauen wir mal, was der Tacho bei 2000 rpm anzeigt. Ach so, für alle die sich fragen was ich da an dem Frequenzgenerator eingestellt habe: Ich habe dort die Zündimpulse pro Sekunde eingestellt, bei 2000 Umdrehungen pro Minute sind das 2000 / 60 = 33,3 Umdrehungen pro Sekunde. Diesen Wert nun mal 2 nehmen, da der 4-Zylindermotor 2x pro Umdrehung zündet, ergibt einen Zündfrequenz von 66,6 Hz. Pro Sekunde wird also bei 2000 rpm 66 mal ein Feuerwerk gestartet. Bei 4000 rpm 133 mal, bei 7000 rpm sogar 233 mal. Ganz schön heftig was da abgeht, oder? Und beim 6 Zylinder ist es noch 1x mehr pro Umdrehung :-)



Oha, etwas mehr als 2000 rpm zeigt er an. Und was sagt der DZM zu 4000 rpm?

Ja, ja! Fast 5000 rpm statt 4000.

Na, da geht doch noch was. Was wird er bei 7000 rpm anzeigen?


Klar die Maxdrehzahl, weil die Kennlinie im Tacho nur bis 7000 rpm geht. Also auch hier hat der Tachobauer etwas vergessen. Aber soviel Vergesslichkeit? Ich denke da schon eher an Vorsatz.

Also es stand nun fest, das ich mich um das Eprom kümmern musste. Aber bevor ich beginnen kann, muss ich erst mal die Nadelpostionen korrigieren. Dazu müssen die Nadeln natürlich ab. Das hätte ich aber sowieso getan, weil ich ganz jeck darauf war zu sehen wie der Tachomann die Zeigerbeleuchtung realisiert hat. Ich zog also die Nadel ab und sah 3 Stück 3mm LEDs mit abgetrennter Linse unter der Nadel. Ganz ehrlich, mehr hatte ich auch nicht erwartet:


Dadurch, das der Lichtschein so stark streute, konnte es nicht anders sein. Ich setze im Übrigen immer so was hier ein, um Nadeln zu beleuchten und da scheint so gut wie nichts über den Nadelrand hinaus:
 


Aber hier geht es ja nicht um meine Umbauten ;-)


Ich machte weiter mit der Spurensuche. Diese Fragen wollte ich beantwortet haben:
- Hat er die Kennlinien bearbeitet?
- Hat er versehendlich die falsche Datei in den Tacho gespielt?
- Hat er überhaupt das Eprom ausgelesen?

Nun kurz und knackig: NEIN!
Um den Eprom auslesen und beschreiben zu können, muss man entweder den Eprom auslöten (14 Pinner SOIC) oder den Quarz brücken und den IC mit einer SOIC-Klammer anzapfen. Um einen SOIC auslöten zu können braucht man eigentlich Spezialwerkzeug, zumindest wenn es vernünftig werden soll. Dazu wird eine SMD-Pinzette oder eine Reflow-Workstion benötigt. Einen Tweezer (SMD-Pinzette) habe ich natürlich, damit man schadensfrei SMD entlöten kann. Was wirklich brauchbares ist da nicht ganz günstig. Eine Ersa-iCon2 mit iTool und ChipTool kostet rund 830 €, ist aber wenn man öfter mit Elektronik arbeitet ein Muss. Aber dafür scheint der Tachobauer kein Geld für ausgeben zu wollen, sieht man ja auch an dem Rest seiner Baukunst. Hier wird nur abgeschruppt, nicht investiert, vor allem leider nicht in Know-How:
 

Kleine Kostprobe der Qualität:
 
Da scheint jemand wie eine Maus Löcher in den Käse; Löcher in Kunststoff genagt zu haben um ein paar LEDs da durch zu stecken :-) Offensichtlich musste hierfür der arme Lötkolben herhalten. Normalerweise verwendet man für sowas eigentlich eine Bohrmaschine mit einem Bohrer an der Spitze.


Das letzte Bild hier ist doch ein Knaller, oder? Keinen Cent für Schrumpfschlauch, oder Isolierband hat er übrig gehabt, das auch die Metallscheiben einen Kurzen verursachen können ist ihm wohl gar nicht bewusst...


Aber zurück zum Thema: Es müssten also Lötspuren entweder sehr deutlich am Eprom, oder am Quarz zu erkennen sein, aber weit gefehlt. Nichts zu sehen:


Also sorgte ich nun mit entsprechendem Löt für die Spuren und schloss das Eprom an den Programmer an um das letzte Geheimnis zu lüften. War er doch dran? Hat er doch etwas in der Software verändert?????
 

Ich las also das Eprom aus und verglich die Daten mit den Originalen mir zur Verfügung stehenden. Und so stellte sich heraus, das die Daten aus einem 4Zylinder Passat mit 220 km/h Tacho wie z.B. der 1,8er mit 90 PS stammten.
Ich passte nun also die Kennlinien auf 280 km/h, 8000 rpm bei 4 Zylindern und den Verbrauchsrechner auf G60 an.

So zeigte dann der Tacho im Anschluss die Geschwindigkeiten an:
 

 

Tja und sogar 280 km/h sind kein Problem mehr:


Mit dem Drehzahlmesser habe ich das natürlich ebenso gemacht.

Wie vielleicht dem einen oder Anderen aufgefallen ist, habe ich die Displays invertiert. War ein Wunsch dem ich natürlich nachkam. Diese Modifikation hatte natürlich nichts mit dem Tachobauer zu tun. Ich habe dazu das LED-Gefrickel ausgelötet und 2 LCD-Illumination-Sets eingelötet, die dann über Zündung verschaltet wurden:



Dazu müssen natürlich ein paar Leitungen verlegt werden.


Ach so, die fehlende Ziffer habe ich auch wiedergefunden. Da war über einen Kontakt der LCD-Anzeige ein Stück Tesafilm geklebt. Wollte man damit den wahren Kilometerstand von über 247tkm vielleicht vertuschen?


In eigener Sache:
Wenn ich mal gefragt werde,  ob ich einen Tacho umbaue, dann gebe ich natürlich Preise durch. Dabei kalkuliere ich selbstverständlich meine Kosten ein. Um eine hohe Qualität solcher Umbauten zu gewährleisten ist der Preis für solch eine Modifikation durchaus höher als bei den gewerblichen Anbietern. Ich bin einfach nicht gewillt, nur wegen einem vermeintlich guten Preis so stümperhafte Arbeit abzugeben. Hey wir fahren einen Corrado! Der hat was vernünftiges verdient. Die Platinen fliegen mir ja nicht einfach so zu, sondern die muss ich bauen. Dafür werden sehr teure Werkzeuge benötigt, die bestimmt nicht jeder im Keller hat. Die eingesetzte CNC-Fräse z.B. kostet über 14.000 Euro, also durchaus teuerer als ein sehr gepflegter Corrado.
Die daraus resultierende Qualität der Umbauten übertrifft so mache Werkslösung. Hier ist z.B. die Ausleuchtung der Heizungsblenden mit angesprochen.
Aber nicht alles ist teuer. Eine SMD Frontbeleuchtungsplatine, die einfach in den Tacho eingelegt wird, sehr gleichmäßig ausleuchtet und sogar dimmbar ist kostet z.B. nur 30 €. Und man läuft mangels offenliegenden Teilen nicht Gefahr den Tacho als Grillanzünder zu missbrauchen.
Denkt einfach mal darüber nach ;-)

Viele Grüße
Dirk


Update 10.10.2009
Da mir der Tachohersteller Unwissenheit vorgeworfen hat und behauptet das ich keine Ahnung von den Komiinstrumenten habe, sowie der Einsatz des Frequenzgenerators völliger Quatsch sei, habe ich hier mal einen unberührten und originalen Tacho angeschlossen um mal zu sehen, was der so bei den einzelnen Frequenzen anzeigt:

Simulierte 30 km/h


50 km/h


70 km/h


160 km/h


260 km/h

Ja, ja - ich weiß. Kritiker werden jetzt sagen: "Man das ist doch kein 220 km/h oder 240 km/h Tacho." Einen 240 km/h Tacho habe ich hier noch liegen. Den hätte ich auch nehmen können, einen 220er wie der aus dem Artikel hier, habe ich leider nicht. Wenn mir also jemand einen solchen leihweise zur Verfügung stellen will, dann schreibt mich einfach an.

Die Bordelektronik besteht nun mal aus mehr als nur Plus und Minus und die Elektrik bzw. die Elektronik hat etwas mehr zu bieten. Bei den alten Tachos im Passat und Corrado, sowie auch dem Golf III ist aber alles noch recht überschaubar, weil es da keine Bussysteme (CAN) gibt. Dafür gibt es für die alten Tachos auch keine China-VAG-Dash-COM Adapter mit denen man ohne KnowHow einfach Kennlinien umschalten kann. Bei diesen alten Tachos hier muss man noch straight in die tiefen von Zahlen und Buchstaben eindringen und halt verstehen, was wo steht. Es gibt im Netz Tools mit denen man den Kilometerstand berechnen kann und in diesen Tools steht auch drin wo dieser Wert im Eprom gespeichert ist, aber so Informationen wo welche Kennline, oder wo z.B. der "Schalter" für eine 12 oder 24h Uhr ist, findet man dort nicht, dafür muss man halt ein wenig mehr mit den Daten auseinandersetzen.